Sächsische zeitung

Sächsische ZeitungDonnerstag, 4. Januar 2007 Hilfe. Seit elf Jahren bietet das Berliner Weglaufhaus eine Zufluchtsstätte für Psychiatrie-Betroffene.
Mit 16 verließ der heute 21-jährige Achim Wagener (alle Namen geändert) die Wohnung seiner Eltern. Seitdem waren die Straße und Notunterkünfte sein Zuhause. Er machte Erfahrungen mit Drogen, erst weichen, dann harten, mit Gewalt, mit der Polizei. Für die war sein Verhalten auffällig, also ging es in die Psychiatrie. Vier Wochen Zwangsunterbringung mit Psychopharmaka: zur Besänftigung Haldol, zur Ruhigstellung Tavor, das ihn abhängig machte. Dann folgten wieder die Straße, eskalierende Situationen, eine zweite Einweisung, die halbe Entmündigung durch Bestellung eines Betreuers und letztlich wieder die Psychiatrie. Aber diesmal war der Betreuer besser als erhofft und fand im Internet das Weglaufhaus in Berlin-Frohnau. Hier würde Achim freiwillig sein, er würde einen neuen Start in ein sinnvolles Leben versuchen können.
Sönke Rust kam aus Westdeutschland nach Berlin. Er fand einen Studienplatz und eine Wohnung, aber keinen Kontakt zu Menschen. Sönke ertrug die Einsamkeit nicht und begann Haschisch zu rauchen, immer mehr, sah keinen Sinn mehr, zur Uni zu gehen und hatte Angst, verrückt zu werden. Eines Nachts lief er auf der Straße vor sich hin und vor eine Straßenbahn. Es war nicht viel passiert, aber die Polizisten stellten ihn in der Psychiatrie vor. Der Arzt und später auch der Amtsrichter entschieden: Einweisung wegen Suizidversuchs.
Doch in der Klinik konnte er das erste Mal über seine Situation sprechen und war erleichtert, nicht mehr allein zu sein. Der Sozialdienst der Psychiatrie empfahl ihm einen Aufenthalt im Weglaufhaus und organisierte sogar die Aufnahme. Heute hat Sönke Rust wieder das nötige Selbstbewusstsein und in einer privaten Wohngemeinschaft Fuß gefasst.
Maja Linde, 36 Jahre und verheiratet, hatte ein Flugblatt vom Weglaufhaus in der Psychiatrie gefunden. Dorthin war sie zunächst aus Verzweiflung freiwillig gegangen. Ihr Mann trank und war gewalttätig. Aber die Psychopharmaka nahmen ihr die Ängste nicht und, wieder zu Hause, war nichts besser. Erneut in der Psychiatrie, gab man ihr andere Medikamente, die jedoch ihre Angst und Verzweiflung nur vergrößerten. Als sie keine Medikamente mehr nehmen wollte, wurde sie von drei Pflegern am Bett fixiert und gezwungen, die Pillen zu schlucken, was bei ihr massive Ängste auslöste. Da kam ihr die Nachricht vom Weglaufhaus wie gerufen. Nach Aufenthalt in einem Frauenhaus wurde sie dort aufgenommen. Hier fand sie Schutz und Freiheit, Akzeptanz und Hilfe, sich selbst zu finden. Heute lebt sie wieder mit ihrem Mann in der eigenen Wohnung und ohne Medikamente.
Die Idee, in Berlin für jene eine Bleibe zu schaffen, die mit dem „Kainsmal geistigen Krankseins“ gezeichnet sind und nicht selten die Psychiatrie für zum Weglaufen halten, stammt mindestens aus den frühen 80ern. Ernsthaftes Projekt indes wurde sie 1989 mit der Gründung des Vereins zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt. Dank seiner Beharrlichkeit entstand 1996 im Norden Berlins ein solches Asyl – die „Villa Stöckle“, das erste und bisher einzige Weglaufhaus für Psychiatrie-Betroffene in Deutschland.
Die Immobilie stellt bis zum heutigen Tag ein Spender zur Verfügung, dessen Sohn sich in der Psychiatrie das Leben genommen hat. Vorbehalte und Ängste in der Nachbarschaft konnten ausgeräumt werden: Was würde passieren, wenn man „die Verrückten“ gleichsam auf der Pelle hat? Das Haus sollte ja keine Klinik sein, auch keine alternative. Das Team des Hauses besteht aus 16 Sozialarbeitern mit zumeist auch psychologischer Ausbildung, darunter viele mit eigener Psychiatrie-Erfahrung. Wer hierher kommt, ist nach dem Verständnis der Mitarbeiter und des Trägervereins nicht krank. Es geht ihnen darum, die Betroffenen nicht zu stigmatisieren, sondern ihre Würde, ihre Persönlichkeit, ihr Selbstwertgefühl zu achten. Man will ihnen Hilfe zur Selbsthilfe geben, sie auf dem Weg begleiten, um sich wieder im Leben zurechtzufinden. Wer hier Zuflucht sucht, soll behüten werden vor psychiatrischer Diagnose und Therapie.
Als „Therapie“ gelten hier bereits die Änderung der Lebensumstände für die Betroffenen, die Geborgenheit, die Möglichkeit, sich auszusprechen, auszuweinen, zu schreien, ohne „ruhiggestellt“ zu werden. Therapeutisch soll auch die dosierte Konfrontation mit den Notwendigkeiten des Alltags wirken. Also: Waschen, Putzen, Einkaufen, Kochen, aber auch Wohnungs- und Jobsuche, Ämtergänge und, sofern gewünscht, Unterstützung bei der Suche nach einem Psychotherapeuten und ärztlicher Hilfe beim Absetzen der Psychopharmaka.
Das alles klingt gut und leicht, aber in der Praxis ist es schwer, jemandem aufzuhelfen, ohne ihn die Einwirkung spüren zu lassen. Doch alles hat seine Grenzen. Nach anfänglichem Experimentieren wur-de im Hause Gesetz: Keine Gewalt! Kein Alkohol! Keine Drogen! Wer diese Grenzen überschreitet, muss gehen. Aber keiner geht ohne Hilfe. Hin und wieder geht auch einer von selbst, ist über Nacht mit Sack und Pack verschwunden.
Große Probleme entstehen zum Beispiel, wenn jemand akut suizidgefährdet ist. Was tun, wenn einer zu schreien beginnt: „Ich bringe mich um“? Ist es ernst oder will er sich nur abreagieren? Statt der sonst obligatorischen Einlieferung in die Psychiatrie, gibt es hier die sogenannte Garantenpflicht. Der Schichtdienst der Mitarbeiter gewährleistet, dass der Betreffende über mehrere Tage keine fünf Minuten aus den Augen und auch seelisch nicht allein gelassen wird. Doch auch das ist keine Garantie.
Es gab auch Niederlagen. Einmal verließ ein Bewohner im guten Einvernehmen das Haus, um eine Wohnung zu beziehen. Er nahm sich das Leben. Also wäre die „Geschlossene“ doch besser? Auch und gerade da gibt es Selbstmorde, in der Klinik und nach der Entlassung! Allein die Tatsache, dass die „Villa Stöckle“ noch existiert, ist ein Erfolg. Immerhin sind früher ähnliche Projektversuche gescheitert. Bemühungen im Saarland und in Leipzig, ähnliche Zufluchtsstätten zu schaffen, sind noch im Gange.

Source: http://www.weglaufhaus.de/wp-content/uploads/2010/08/szet.pdf

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Patient Diagnosis Resource for CHRONIC CYSTITIS Your doctor has determined that you have chronic cystitis, a repeated or prolonged form of urinary tract infection (UTI) that causes inflammation of the bladder. About the Condition The bladder is a stretchable oval chamber in the lower abdomen that is part of the urinary tract, which also includes the kidneys, ureters and urethra.

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